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Etwas Fremdes in mir – Tryptichon – III s. 86-88

Beim internationalen Theaterfestival in Kathmandu, Nepal, 2010 bekamen drei Stücke aus dem Joyce – Zyklus eine Auszeichnung. Das Kathmandu von meinem Joyce und die umliegenden Regionen beben jetzt. Der Monat April 2015 war vernichtend: Häuser stürzten ein, die Erde verrutschte, viele Menschen sind gestorben. Ich habe nach verlegten, Telefonnummern, E-Mail.Adressen gesucht, um zu erfahren, was mit den Gastgebern meines Ensembles, unseren Freunden, passiert ist.

Die Erde ist wütend und rächt sich am Menschen!, glauben die Überlebenden.

Von Sunil Pokharel habe ich nichts gehört; er war in diesem Moment wahrscheinlich im Ausland. Später wird sich herausstellen, dass Anne Dirnstorfer zwei Monate vor dem Erdbeben nach Berlin zurückgekehrt ist, um dort Urlaub zu machen. Rajan Khatiwada war zu dem Zeitpunkt bei einem Theaterfestival in Dänemark. Was wissen sie über die anderen? Während seines Aufenthalts in Dänemark wütete zu Hause das Erdbeben, wo seine Frau und sein erst drei Monate altes Kind geblieben sind. Glücklicherweise waren sie, gemäß der Tradition, bei ihren Eltern auf dem Land, außer Gefahr. Als wir vor seiner Abreise nach Hause in Berlin bei einem Kaffee sitzen, fragte ich ihn: Wie heißt dein Töchterchen?, wegen des Erdbebens wurde sein Visum verlängert bis sich das Beben im Land und in den umliegenden Regionen beruhigt hat. Das fragte ich ihn am Tag seiner Heimreise.

Er antwortete: „Bei uns ist es Brauch, dem Kind erst etwa nach sechs Monaten einen Namen zu geben. Nach der Geburt berührt ein Priester traditionell die Stirn des Kindes und empfängt auf diese Art sein Schicksal, wobei natürlich niemand weiß, wie das Schicksal aussieht, jedoch akzeptiert das Kind symbolisch sein eigenes Schicksal. Nach dem hier verbreiteten Glauben kann man das Schicksal nicht beeinflussen. Dieser Glauben ist dafür verantwortlich, dass die Menschen auch bei diesem Erdbeben ihr Schicksal und die Folgen des Erdbebens angenommen und sofort mit dem Wiederaufbau des Landes begonnen haben. Ihr Ziel ist es, so früh wie möglich die Normalität wiederzuerlangen, nicht herumzujammern und nicht in die Paralyse zu verfallen, die diese Ereignisse hervorrufen könnten.“

„Bei meinem Flug nach Berlin habe ich darüber nachgedacht, welchen Namen wir ihr geben könnten?” dachte er laut weiter nach: „Ich möchte ihr den Namen Asha geben!“

Asha bedeutet auf Nepalesisch, die Hoffnung!

Die Hoffnung ist geboren: Asha Khatiwada!

Einen Tag nach seiner Ankunft in Kathmandu gab es erneut Nachbeben, diesmal von geringerer Intensität. Das alte Haus, das er und sein Ensemble besorgt und zu ihren Theaterzwecken renoviert hatten, steht immer noch; das Mandala Teata lässt sich nicht klein kriegen! Doch, wenn die umliegenden höheren Häuser einstürzen, wird wahrscheinlich auch dieses Haus einstürzen – ich hoffe, dass das nicht passiert.

Sofort nach seiner Heimreise hat er die Kinder und Jugendlichen von der Straße versammelt und mit einem Theaterprojekt angefangen, um so die Energie für den Wiederaufbau des Lebens zu fördern. Im Juni wird sein Töchterchen nach den dortigen Bräuchen ihren Namen bekommen: Asha.

Anna ist ebenfalls Ende Mai wieder dort hingereist, um an ihrem Projekt, dass nach Lösungsvorschlägen sucht die internationalen Konflikte beizulegen, und zwar mithilfe der Methodik des Forumtheaters, der Play Dramen u.a. Sie hat mit diesem Projekt unmittelbar nach der Weiterbildung zur Theaterpädagogin an der theAkademie angefangen. Sie hat mich schon als Studentin mit ihrem Feingefühl und ihrer drastischen Reaktion gegen jegliche Diskriminierung sehr inspiriert. So kam es, dass ich sie ermutigt habe, gemeinsam verschiedene Wege zu finden, um die Lebensqualität und die zwischenmenschlichen Beziehungen zu verbessern. Unser Verhältnis an der Theakademie, wuchs auf dem Fundament des gegenseitigen Ansporns und der Wissbegierde. Die Arbeit, die sie schon seit fünf Jahren in Nepal vollbringt, zeigt ihre Erfolge und offenbart die Kraft des Theaters. Sie arbeitet unter anderem auf dem Land, mit Frauen, wo sie sich ihre Theatermethoden zunutze macht, um so Wege zu finden, die vererbten Konflikte aufzuheben.

Mein “Joyce-Tryptichon”: Zutscher – Lucia Joyce – Dubliner wurde beim internationalen Theaterfestival in Kathmandu zwischen November und Dezember 2010 mit Begeisterung vom Publikum aufgenommen. Wie der indische Theaterkritiker, noch während der Aufführung verlauten ließ, war sie im Rhythmus von Joyces Irland und Dublin, da Joyce vielleicht einer der irischsten irischen Autoren und gleichzeitig einer der universellsten Autoren ist. Er ist lokal geprägt, das fühlt man förmlich, und er ist Dublin treu ergeben. Sein Dublin zieht sich durch all seine Werke, aber sie sind so geschrieben, dass sich viele, weltweit mit seinen Niederschriften identifizieren können, und deshalb ist es auch so universell. Er benutzt Dublin, seine Häuser und Straßen, seine Geschichten und Legenden, seine Sprache und Musik, jedoch vor allem seine Einwohner als Grundlage für seine Werke. Er behauptete einst, falls Dublin eines Tages niedergerissen und zerstört sein sollte, könne man es, seinen Geschichten getreu, wieder nachbauen.

Hat Kathmandu auch einen Joyce?

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