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Riken-no-ken, Die Sicht der abgeschiedenen Sicht – Triptychon –II, Seiten 7-10

„Mein Kyōgen-Lehrer Yotaro Okura gab mir folgende Worte mit auf den Weg: Wir Kyōgen – Spieler haben gelernt, daran zu denken, wie wir dem Hauptdarsteller helfen können. Wenn du im Ausland bist und mit den Schauspielern dort Proben hast, denke nicht daran, wie du dich am besten hervortun kannst, sondern hab immer im Kopf, wie du spielen musst, damit du den anderen eine Hilfe bist. Stell die eigene Person hinten an, und konzentriere dich ganz darauf, deinen Partnern Bedingungen zu schaffen, sodass sie gut spielen können.“ („Zwischen den Welten“, Deutsch von Buki Kim, Originaltitel: „Hyoryu-Hyora“ von Yoshi Oida)

Ich hatte kaum jemals gesehen, nur manchmal und mancherorts, dass ein Schauspieler derart spielt, dass sein Partner vorherrscht. Unverzüglich musste ich an die bewundernswerten Lela Margetić und Pero Kvrgić in den „Stilske vježbe[1]“ (zu dt. „Stilübungen“) denken. Nur, wenn zwei auf diese Art beim Spielen aufeinander zugehen, ist es möglich, einen Dialog zu erleben und seine vollständige Bedeutung zu ermessen. Die meisten Aufführungen, die ich mir in meinem Leben angesehen habe, stanken nach narzisstischen Schauspielern und/oder aufgeblasenen Konzepten der Regisseure.

 

Durch das Darstellende, als Element in der Theaterkunst, tappen sicherlich viele in die Darstellungslüge. Man kann von Glück reden, wenn man den Lügenfallen entgeht, es ist aber ein großes Geheimnis, wie man das erreichen kann.

Ob wir uns dessen nun bewusst sind, oder nicht, aber unsere Erziehung, die häusliche, als auch die schulische, sowie unser Lebensstil, üben einen großen Einfluss auf uns aus. Einer meiner Professoren, Regisseur Durbešić, fragte mich, nachdem er erfahren hatte, dass ich plane ins Ausland zu gehen: „Wann ist das letzte Mal jemand, in einem Café, oder anderswo, auf dich aufmerksam geworden?“ „Was möchten Sie mir damit sagen?“, fragte ich. „Du beschäftigst dich mit einer Tätigkeit, in der du üben musst, laut zu sein, wenn du damit weitermachen möchtest. Tritt in ein Lokal ein und sage laut: Guten Abend, oder wirf einen Stuhl um, oder was weiß ich … habe keine Angst vor Ausfällen, sei nicht still.“ Ein anderer, auch einer meiner geschätzten Professoren, Vjeran Zupa, als ich ihm erzählt habe, was ich erkunden, bzw. im Theater ausprobieren möchte, wünschte mir mit den Worten Glück: „Ihre Ideen sind allzu philosophisch und Sie werden Glück brauchen, um angenommen zu werden“.

Während meiner ganzen Ausbildungszeit bei der Akademie in Zagreb, konnte man an den fünf Fingern einer Hand abzählen, dass irgendeinermeiner tugendhaften Professoren vom Menschen selbst gesprochen hat: dem Studenten, dem Spieler, dem Regisseur, dem Autor …. als wichtiger Persönlichkeit, mit etwaigen psychophysischen Eigenschaften und Wirkungsweisen, der man in die Augen schauen sollte, sehen und erleben, falls man etwas gemeinsam zustande bringen möchte … Davon habe ich nur von Professor Filipović, bei den Psychologie Kursen, die im Theatercafé abgehalten wurden, und wiederholt von meinem Mentor, Professor Kosta Spaić, in unseren aufrichtigen innigen Dialogen unter vier Augen, gehört. Ich habe mir auch gut die Worte von Professor Spaić eingeprägt „wenn du ein Ensemble führen willst, ist es wünschenswert sich als Mitglied eines Ensembles zu versuchen“. Er selbst habe Violine in einem Orchester gespielt.

Zu dieser Zeit habe ich in der Akademie einer Klonierung der Schauspielprofessoren beigewohnt, die Art wie ihre Schauspielstudenten spielten und ihre Texte aufsagten.

Was werde ich wohl jetzt auffinden?

Die Theaterarbeit in Berlin hat mich weit von dem entfernt was ich in der Akademie gelernt, bzw. nicht gelernt hatte.

Während der Schulung von Regisseuren an der theakademie in Berlin habe ich zwei Dinge aufgegeben: den Wunsch einem Studenten gegenüber meine Meinung über ein Problem mitzuteilen und die Illusion, man könne Regie erlernen.

Ich habe den Studienplan so aufgebaut, dass der Student praktisch schon ab der Aufnahmeprüfung Regie führt. Bei der Aufnahmeprüfung musste er bei einer Szene, nach eigener Wahl, Regie führen, und daraufhin, jedes Semester bei einer abendfüllende Aufführung.

Die Prüfung bestand aus „der Bewusstseins- und Gewissensprüfung“, einer Reihe von Fragen, die dabei helfen sollten, den Weg von der Idee bis zur Entstehung der Aufführung darzustellen, vom Auftrag bis zur Verwirklichung. Wir bemühten uns, auf Fragen mit neuen Fragen zu antworten. Dieser Ansatz ließ uns wahrhaftig auf Glatteis bewegen, und trieb uns ständig an, an uns zu zweifeln, uns zu überprüfen, zu reflektieren, neue Lösungen zu finden und sich mit der Unsicherheit des ewigen Wandels abzufinden.

 

Es zeigte sich effektiv, die Studenten anzutreiben, am eigenen Ermessen zu lernen. Es war nicht erlaubt, einem Regisseur zu assistieren. In anderen Projekten mussten die Regie-Studenten eine aktive Rolle bei der Schaffung einer Aufführung spielen: von der Produktionsarbeit, über technische Arbeit und technische Umsetzung bis hin zum Schauspiel.

 

Oida hat seine Tätigkeit in Brooks Ensemble mit der Technik der Improvisation begonnen, die im bis dahin gänzlich unbekannt war.

 

„Mit Improvisation hatte ich in meiner ganzen bisherigen Theaterpraxis noch nie etwas zu tun gehabt.

Dem traditionellen japanischen Theater – Nō und Kabuki – liegt die Idee des „Kata“ zugrunde. „Kata“ ist eine Spielform, die, vor Jahrhunderten fixiert, vom Meister an den Schüler weitergegeben wird und von diesem originalgetreu bis ins Detail kopiert werden muss. Jede Rolle hat ihre besondere „Kata“, die die Bewegung, den stimmlichen Ausdruck, das Kostüm und die Art der Interpretation bis ins einzelne gehend vorschreibt, was zur Folge hat, dass die Spielweise identisch und über Generationen hinweg stets unverändert geblieben ist. In dieser Beziehung erinnert die Anwendung von „Kata“ in Japan an das Schema, das in der westlichen Kultur für die klassische Musik und das klassische Ballett als verbindlich gilt.“[2]

 

Unter Improvisation in der Alltagssprache verstehen wir spontanes, kreatives und praktisches Handeln bei der Lösung eines Problems, mit dem wir konfrontiert wurden.

Die Improvisation stellt Handeln, ohne Vorbereitung dar, eine Reaktion des Augenblicks.

Ist es nicht eine Notwendigkeit an neuen Orten zu improvisieren? Oder ist es angemessener zu sagen, dass wir das Chaos ordnen, wenn wir irgendwohin neu zuziehen?

Improvisation ist eine von vielen Schauspieltechniken bei der Suche nach einer Rolle, die Ordnung des Chaos jedoch ist die alltägliche Aufgabe eines Regisseurs bei der Schaffung eines Stücks.

Die Ordnung des Chaos ist die Richtlinie unserer Existenz, in der wir suchend improvisieren und improvisierend suchen, selbst nicht wissend, was wir suchen: vielleicht Ausgewogenheit und Glück.

 

[1] Ist die älteste Theateraufführung auf der Welt, die kontinuierlich, mit der gleichen Besetzung, über 45 Jahre gespielt wird, nach der Idee des franz. Schriftstellers Raymond Queneau, Regie: Tomislav Radić

[2] Yoshi Oida, Zwischen den Welten, S. 23

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