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Etwas Fremdes in mir – Tryptichon – III s.80-81

8.

Namen spinnen das Seemannsgarn

 

In der Theaterpädagogik benutze ich eine sehr effektive Methode, um den ersten Kontakt und die Person selbst zu erleben, und zwar – stellen Sie sich in die Mitte der Bühne und nennen Sie laut und deutlich Ihren Vor- und Nachnamen und erzählen uns etwas von seiner Herkunft.

Warum tragen Sie gerade diesen Namen? Wer hat Ihnen Ihren Namen gegeben?

Wenn Anfänger durch Verlegenheit ihre Ausdruckskraft verlieren, dann rege ich sie an eine Geschichte zu erzählen, die sie sich in diesem Moment ausdenken. Wenn das auch nicht hilft, dann reiche ich ihnen eine Klangquelle, etwa eine Blockflöte oder ein Schlaginstrument, und rege sie an, einen Klang zu finden, der ihren Namen repräsentiert; sie müssen diesen Klang immer wieder laut auf verschiedene Arten wiederholen und so die Komposition des eigenen Namens finden. Nachdem sie in dem Sinne den ersten Erfolg vermerkt haben, treten sie schon wagemutiger auf.

Ich bestehe die ganze Zeit auf der Suche nach der Geschichte des eigenen Namens, egal wie groß die Verlegenheit der Person, die sich im Kreis befindet, ist. Ich bediene mich mit Füllwörtern, Fragen, Ideen und versuche diese Angst zu zerstreuen, damit daraus ein Bild entsteht, mit Assoziationen, Ideen über den Namen der Person. Falls die Person im Kreis eine größere Blockade hat, dann muss der Leiter die Ruhe bewahren und mit kleinen Schritten einen Dialog anregen, manchmal muss er auch Abschweifungen vom Thema machen und z. B. die Person bitten ihm zu beschreiben, was sie in diesem Augenblick sieht, oder ihre Aufmerksamkeit auf die Atmung lenken……. und der Erfolg wird nicht ausbleiben.

Wenn man mit jungen Leuten zusammenarbeitet und, vor allem, die Themen Familie, zwischengeschlechtliche Beziehungen, Aggression, Träume, Berührungen in der Gesellschaft, Unbeholfenheit, offene und geheime Liebschaften und Ähnliches bearbeitet, dann ist die Technik des biografischen Theaters sehr angebracht, da sie sicherlich zu einem hervorragenden Bühnenergebnis führt.

Es ist wichtig ein Thema zu behandeln, das den Gruppenmitgliedern am Herzen liegt, es zu verwandeln und in einem anderen Licht zu zeigen, es für die Bühne so zu kombinieren, dass die Zuschauer Anteil daran haben können. Dieser gruppendynamische Prozess fängt schon bei der gemeinsamen Auswahl des Themas an. Er geht über den individuellen Einsatz bei der Bearbeitung des Themas und endet letztendlich bei der Findung der angemessenen Bühnensituation, die das Thema ins richtige Licht bringt und es reflektiert. Auf diese Weise wird die Dramaturgie der Schlussinszenierung zusammengestellt.

Ein Stück dient dazu, vor einem Publikum gespielt zu werden. Die Erfahrung des Spielens für andere bringt uns auch das Bewusstsein über das angemessene Szenezeichen und den Rhythmus des Stücks. Manchmal ist es wichtig, nach der Aufführung mit dem Publikum zu reden, da das ebenfalls eine nützliche Bearbeitung des Themas und die Reflexion des Stücks bedeuten kann.

Die Unwiederholbarkeit einer Aufführung liegt nicht am Thema, sondern an seiner Bearbeitung. Das Wie? – ist das Alpha und Omega im Theater, viel wichtiger als das eigentliche Thema. Denn, man könnte sagen, das jedes Thema zu gebrauchen und voller Inspiration für das Theater ist. Man kann sozusagen jegliches Thema für jede Altersgruppe und für jeden Bildungsstand wählen. Das Geheimnis, das Tückische dabei ist die Realisation, also die Umwandlung.

Jedes Thema verdient behandelt und zu einem Stück verarbeitet zu werden, aber die Bearbeitung des Themas verlangt nach einem Könner, einem Meister. Bei der pädagogischen Arbeit passiert das jeweils dann, wenn der Leiter es versteht, die Gruppenprozesse zu weiten und zu moderieren, und die überraschenden Resultate aus dem Gruppenprozess in der Endausführung zu verarbeiten. Meiner Meinung nach brauchen wir keine Leiter, die bei der Arbeit mit jungen Menschen nur ihre eigenen Ideen und Konzepte realisieren, bzw. abarbeiten, sondern solche, denen es gelingt das Potenzial aus den jungen Leuten in den Vordergrund zu bringen, die Gruppenprozesse zu balancieren und immer von Neuem eine Dramaturgie für die jeweilige Aufführung zusammenzustellen. Bei den Proben muss agiert und reagiert werden, der Ausdruck muss provoziert und gereizt werden, man muss ein Auge und das Gefühl für die Person, die sich im Prozessverlauf befindet, haben, und ein Gefühl für die Dramaturgie und die ästhetische Kombination.

Haben wir vergessen, aufmerksam zu beobachten? Gelingt es uns ein Detail aus der hügeligen Ganzheit zu erfassen? Sind wir in der Lage zu schauen, ohne vorauszuschauen?

Bedauerlicherweise lernen wir zu wenig von den neuen Generationen, da Erwachsene nicht gewillt sind zu lernen. Diejenigen, denen es gelingt die Barriere der eigenen elterlichen Schroffheit und die Gewalttätigkeit, die charakteristisch für Erwachsene im Umgang mit Kindern und Jugendlichen ist, zu durchbrechen, werden die Möglichkeit haben einen Schatz an reiner Erfahrung zu erhalten, und natürlich auch die Chance die eigenen Erkenntnisse zu hinterfragen.

Das stärkt oftmals den Wunsch nach Veränderung und beflügelt mit neuem Elan.

Erwachsene glauben immer klüger, und allwissend zu sein. Sie lehnen sich an die erfundene Autorität bzw. die Tatsache, dass sie einfach älter oder Eltern sind, und einige spinnen das noch weiter und nehmen sich sehr wichtig, weil sie die Erzeuger sind. Erwachsene verlieren zu viel Zeit damit, der Jugend etwas beizubringen, sie lassen eine Strenge walten und halten an vorgegebenen Maßstäben fest; sie unterdrücken derweil jede Kreativität, jeden Aufschwung und uniformieren die Jugend, anstatt sie zu fördern.

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