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Riken-no-ken, Die Sicht der abgeschiedenen Sicht,-Triptychon – I ; 3-6 Seite

Als die Berliner Mauer „gebrochen“ ist, wurde die Stadt zum neuralgischen Mittelpunkt Europas, ein Scheideweg der Schicksale; die Entstehung neuer Themen, gewonnen aus der neu entstandenen sozialen Realität, die auch dem Theater als wahre kreative Provokation dienten.
Für die träge offizielle Theaterszene war es ein langer Weg, bis sie ängstlich raus aus ihrem Salon gehen konnte.
Die Off-Szene hingegen, ertönte mit einer Vielfalt verschiedener Themen, Raum- und Bühnengestaltungen, verschiedenen Qualitätsdarbietungen, aber mit einem klaren Bestreben: Über die neuen Lebensumstände der Fremden im Fremden zu sprechen.
Das neue wiedervereinigte Deutschland stellte für alle, die hier Geborenen und Aufgewachsenen, sowie die vorübergehend oder dauerhaft Zugewanderten, eine Herausforderung dar: Sich als Fremder im Fremden, als Fremder im Eigenen, zurechtzufinden.
Viele sind hier eingewandert, auf der Flucht und im Vorbeigehen, „glücklich“ irgendwo aufgenommen zu werden, wo sie versuchen können, sich zu erheben, und als Opfer, kniend, aufzustehen.
Wenn man einen Schauspieler umbringen möchte, nimmt man ihm die Bühne weg. Wenn man ihm diese aber überlässt, muss man sich auf Überraschungen gefasst machen.
In den 90er Jahren des 20. Jhs. sind viele Künstler aus aller Welt, mit den verschiedensten Ausdrucksformen, nach Berlin gezogen, auf der Flucht vor Kriegen, dem Terror und dem Elend. Dieser Kraft, diesen Menschen habe ich den Bühnenraum geöffnet, ich habe ganz neue Arten des Theaterspiels entdeckt und praktiziert, eine ganz neue Seite meines Schaffens und meiner Theateraufzeichnungen aufgeschlagen.
Hier habe ich meine Rolle als Regisseur in erster Linie so aufgefasst, indem ich private und professionelle Erfahrungen, biografische Materialien der Schauspieler und Mitarbeiter aktiviert und in dem Projekt, an dem ich gerade arbeite, umgesetzt habe. Die Persönlichkeit und die Privatsphäre des Schauspielers sind mir wichtig, um das Thema und das künstlerische Material ausdrücken zu können, dabei ihn als Vorlage und seine Hilfe und Erfahrungen nutzend, um das Material für die Aufführung anzuordnen.
Der Gestaltungsprozess war mir immer weitaus wichtiger als die Premiere und die Wiederholungen der Aufführungen.
Einen Großteil meiner eigenen Erstaufführungen habe ich mir nicht einmal angesehen, sondern in der Garderobe abgewartet, bis die Vorstellung zu Ende war, um von dort dann vorbildlich zur Premieren-Verbeugung raus zukommen.
In diesem Sinne bin ich unverschämt geworden, so bin ich nach der Premiere meiner „Dubliner“ nach Joyce mit meiner zwei Monate alten Tochter Ornela im Arm zur Verbeugung gekommen, mit der ich während der Aufführung in der Garderobe herumgealbert habe.
In Berlin, scheint mir, gibt es mehr Gestaltungsraum für die Realisierung eigener Ideen, Themen und Interessen, das fand ich inspirierend und motivierend! Die Leute, mit denen ich zusammengearbeitet habe, gewissermaßen ihre eigene Realität thematisierend, haben ihren eigenen Kreis angezogen, ein Publikum einer neuen Eigenartigkeit. So, wie das Publikum wechselte, so sind auch unsere Stücke aus dem Publikum herangewachsen. Es war eine gegenseitige Beeinflussung, denn, ich würde sagen, dass ich die Aufführungen nicht für ein bestimmtes Publikum gemacht habe, sondern mit einem bestimmten Publikum. Sowohl die, die sich in der Finsternis des Zuschauerraums, als auch die, die sich im Rampenlicht befinden, haben die Erfahrung der Migration mit sich gebracht, die Dramatik der eigenen Existenz, die Tragik und Vitalität der Bewegung aus der Notwendigkeit, der Verschiedenheit der Gewohnheiten, der Mentalität, des Glaubens und der Sprache. Mit diesen Menschen, für diese Menschen habe ich das Theater gesucht. Ich bin nach Westberlin aus eigenem Willen gekommen, während die meisten meiner Mitarbeiter, Bekannten und das Publikum bei unseren Aufführungen, in das wiedervereinigte Berlin aus Notwendigkeit gekommen sind.
Diese Erkenntnis hat meine Themenwahl und die Art der Zusammenstellung des Ensembles, die Arbeitsprozesse bei den Proben, die Form der Aufführungen verändert und einen Schwall an Möglichkeiten hervorgebracht, mit dem man umgehen können musste.

Ich bin aus dem Theatermilieu der ehemaligen SFRJ (Soziale Föderative Republik Jugoslawien) gekommen, wo so unklare Aufführungen und Projekte realisiert wurden, die von öffentlichem Interesse sein sollten, nahezu immer etwas gelehrt und moralisiert wurde – und all diese Bühnengestaltungen, falls nicht aus eigenem Willen dann als schulisches Pflichtprogramm, oder zumindest als schulisch-gewerkschaftliche Freizeitaktivität besucht wurden.
Falls ich nach Kroatien ziehen sollte, also in ein neues Land, werde ich einen „Streifzug“ durch das Land machen und so viele Aufführungen wie möglich besuchen, in der Hoffnung, auf diese Weise ein Spiegelbild der Gesellschaft zu erfassen, bzw. der Themen, die dort bearbeitet werden.
Mich interessiert der Kontakt des Theaters und des Lebens, dass ich dort kennenlernen werde.
Deutschland hat besonders gut die Prinzipien des Nihilismus aufgenommen, Kroatien hingegen, sollte man den Medien Glauben schenken, neigt immer noch zur Kontrolle und Vorgabe von Wertschätzungen.
Die kroatische Politik setzt die Tradition des Ausverkaufs und der Vernichtung gottgegebener Gaben, auf allen Gebieten fort; die deutsche Politik versucht aus der Unmöglichkeit, der Dürre, aus dem Nichts, einen Ertrag und/oder eine Wohltat für das Land und dessen Einwohner zu erzielen.
Die Frage des Stolzes ist in Kroatien ein wichtiges Thema, zwar oftmals eigenartig behandelt, in Deutschland hingegen, aber nur ein Wort.
In Kroatien ist die Korruption schon seit längerer Zeit eine alltägliche Erscheinung geworden, für Diebstahl haben viele Verständnis, besonders, wenn aus staatlichen Ressourcen geklaut wird; wenn so etwas in Deutschland ans Licht kommt, ist es ein riesiger Skandal mit großem Ausmaß, und bei Steuerhinterziehungen dem Staat gegenüber ist man schnell Mal hinter Gittern gelandet, wobei es bei solch einem Verstoß keine Privilegierten gibt.
Deutschland ist ein Einwanderungs-, Kroatien ein Auswanderungsland. Viele sagen: Kroatien ist ein Urlaubsland, und Deutschland ist ein Land der Arbeit. Das eine wie das andere lebt von seinen schlechten Seiten und ein paar Vorteilen. Dennoch macht mich die mediterrane Heimat, vor allem mein Teil des Mittelmeers, nostalgisch.Wie zum Beispiel, wenn ich mich an dem Teil der Küste der Makarska Riviera im Meer schwimmend gen Ufer drehe und zuschaue, wie der Berg direkt in das Meer eindringt, der Verbindungspunkt zweier Kräfte; Naturerscheinungen, die sich in den Gesichtszügen der Menschen widerspiegeln?. Oder das untätige Herumsitzen auf den Steinen des Peristil ; die Tage auf meinem Leuchtturm Struga , in die poseidonhaften Einsamkeit eingetaucht, in Jahrtausende der veränderten Unverändertheit.
Ist die Nostalgie ein Vor- oder ein Nachteil? Ich frage mich, ob Oida auch die Nostalgie nach Japan verspürt? Verspürt er Heimweh nach dem Land der aufgehenden Sonne, in dem er sehnsüchtig dem Publikum den Mond zeigen möchte?

Im Oktober 1998 habe ich im Programm des Windspiel Theaters geschrieben: „Theater als ein Raum der Fülle: Das heißt, Stile, Traditionen und Sprachen werden gemischt, ohne dass sie ihre Eigenheit verlieren.“ … „Die Aufführungen sind mehrsprachig, wobei als Verbindungsglied der einzelnen Geschichten die deutsche Sprache eingesetzt wird.“ Mit solch einem Ansatz bin ich später in einen Konflikt geraten, und dann wiederum zu einem Einklang der Kontraste in meiner Aufführung, dann wieder weiter, auf Wegen und Abwegen, bis hin zu…. Die Prozedur ist fortlaufend, und seine Dynamik spornt mich tagtäglich an, etwas in mein Notizbuch einzutragen.

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