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„11. Ich führe meine Geschichte der unbewussten Gedanken spazieren“… noch weiteren Seiten

Ich musste monatelang über diese Geschichte nachdenken, und habe sogar WissensDurst hinausgeschickt, um nach Mitternacht auf den Friedhöfen Berlins herumzuwandeln und eine offene Gruft zu finden, das Heim eines weiteren demütigen Sternenanbeters. Jede Nacht, wenn er diese Spaziergänge unternahm, spürte WissensDurst eine besondere Mischung aus Erwartung und Angst. Er hatte Angst davor, von der Polizei ertappt und in die psychiatrische Klinik zur Beobachtung eingewiesen zu werden, um dort auf mich in Arbeitsuniform zu treffen. Wer würde ihm glauben, dass er aus Interesse, zur Hinterfragung einer unglaublichen Situation diese Spaziergänge unternahm, und nicht aus der Verzweiflung heraus, von der Realität des Lebens fliehend.

Er ist auf Gräber gestoßen, die gerade gebaut wurden, jedoch hatte er nie genügend Mut, sich in die Gruften herabzulassen und dort zu übernachten; sein Höchstmaß war es, etwa eine viertel Stunde lang sich auf dem Weg neben den Gräbern zu legen und den Himmel zu beobachten. Einmal hatte es stark geregnet, als er dieses Experiment unternahm; die dicken Regentropfen prasselten unaufhörlich auf ihn hernieder, sodass die Blätter von den Bäumen und die Erde, auf der er lag, ihn mit ihrer Reinheit beschmutzen, sagte er.

Šimićs Verse empfand ich als zu sentimental, deshalb habe ich sie umgeschrieben, in: Mensch, SEI klein unter den Sternen! … und am Ende BLEIB Staub, den ein Stern KANNST, UND WIRST DU NIEMALS sein.

Ich führe meine Geschichte spazieren. Nicht Weiteres.

Novalis sagt, dass das Theater eine wirksame Reflexion des Menschen über sich selbst ist.

Die Frage über die wichtigen Etappen oder prägnanten Ereignisse im Leben einer realen als auch fiktiven Person, ist gleichzeitig die Frage über die Richtung und den Verlauf des Lebens. Entwickelt sich das Leben linear oder kreisförmig? Ist unsere Geburt ein Kommen oder ein Gehen von irgendwoher? Oder wiederholen sich die gleichen Existenzen im Kreisverkehr, wie zum Beispiel der Austritt aus dem Licht und der Aufenthalt im Schatten und erneut der Eintritt in das Licht, usw.?

Das eigene Leben können wir nur aus seiner Vergangenheit reflektieren, obwohl die Situationen, die uns bewegt haben oftmals vergessen sind, wodurch die Auseinandersetzung mit uns selbst, schwer fällt. Nur das Vergessen ist beständig. Das Vergessen ist praktisch der aktivste Teil unseres Bewusstseins und wir neigen dazu, ein Ereignis aus unserer nahen Vergangenheit mit konstruierten Situationen zusammenzuflicken, die niemals passiert sind.

Ich führe meine Geschichte spazieren. Nicht Weiteres.

Nur ein kleiner Anteil an Menschen stirbt anders, als er gelebt hat. Ich kann meine Behauptung natürlich nicht mit einer Statistik untermalen, aber ich glaube es gesehen, gefühlt und erlebt zu haben.

Die meisten Menschen sterben, wie sie gelebt haben.

Ich glaube, es ist wahr: Menschen sterben so, wie sie gelebt haben.

Ich führe meine Geschichte spazieren. Nicht Weiteres.

Menschen leben den Umständen entsprechend; dabei sind die Möglichkeiten und Kreationen des eigenen Lebens außerordentlich begrenzt.

„… wenn ich ein freundliches Gesicht zeige, fühle ich mich sofort besser. – Ist es deswegen, weil die Gefühle eines solchen Gesichts angenehmer sind? Oder, weil die Konsequenzen eines solchen Gesichts angenehmer sind? (Wir sagen, `Kopf hoch!`)[1](Ludwig Wittgenstein «Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie».

Ich führe meine Geschichte spazieren. Nichts Weiteres.

Als er Münzen in den Kaffeeautomaten einwarf, fing er an sich zu schütteln und zuckend fiel er zu Boden, mit Schaum im Mund verlor er das Bewusstsein…. zwei Studenten eilten herbei und kehrten ihn gekonnt auf die Seite, damit er nicht an seiner eigenen Zunge erstickt. Als der Rettungsdienst kam, hatte er sich schon beruhigt und verweigerte den Gang ins Krankenhaus, da er mit solchen unregelmäßigen epileptischen Anfällen schon jahrelang zu kämpfen hatte.

„Warum hast du uns bei der Aufnahmeprüfung verschwiegen, dass du unter Epilepsie leidest?“

„Ich hatte befürchtet, ihr würdet das als Grund nehmen mich abzulehnen, wie ich das bereits bei anderen Aufnahmeprüfungen für andere Wünsche und Ambitionen erlebt hatte.“

„Du solltest und dürftest so eine Information nicht verschweigen.“

„Das heißt, hier darf ich auch nicht mehr weiter studieren?“

„Nein, das ist kein Grund dich gehen zu lassen, das darf auch nicht ein Grund dafür sein; ich finde, du bist ein talentierter und fleißiger junger Mann, und ich bin überzeugt, dass du eine interessante Karriere als Regisseur haben wirst.“

„Danke! Heißt das, ich darf an der Theakademie bleiben?“

„Ja, selbstverständlich! Das war hier auch gar nicht die Frage. Ich möchte lediglich, dass wir alle Bescheid wissen, dass ein solcher Anfall wiederkehren kann, und wie wir dir in dieser Situation helfen können, damit wir nicht hilflos und in Panik dastehen, falls so etwas wieder passiert. Ich denke, dass würde dir auch helfen, damit du dich hier völlig entspannen und im kreativen Sinne richtig entfalten kannst.“

Erleichtert umarmten wir uns. Auf seine nachfolgende Regiearbeit habe ich mich auf besondere Art gefreut.

Wir haben alle von diesem Erlebnis profitiert. Während seiner Schulung an der Theakademie hatte er einige Anfälle gehabt, die jedes Mal für uns dramatisch und gefährlich waren, da wir das Gefühl hatten dieser Situation nicht gewachsen zu sein. Wir haben nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht ihn wegen gesundheitlicher Gründe vom Unterricht zu entfernen, sondern haben uns mehr um ihn gekümmert und etwas über seine Krankheit gelernt. Unter anderem habe ich auch, laut Studien, über die Präsenz des Epileptischen in unseren Träumen gelesen.

Ich habe bereits Treppen erlebt, die so angelegt sind, damit der Regen hinunterprasseln kann, um uns zu erfrischen; oder Treppen, die uns in den Keller befördern, wo wir verschiedene Delikatessen aufbewahren; Treppen, mit denen wir ins Wasser gleiten; Treppen, die dazu dienen nach unten zu gehen, nicht aber wieder aufzusteigen: Und dann, wenn man unten ist, kann man weiter in die Tiefe gehen, aber auch in die Höhe fliegen.

Ich führe meine Geschichte spazieren. Nicht Weiteres.

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